Insight #27: Im Jahre 2020 wird Bitcoin so viel Energie konsumieren, wie die gesamte Welt es im Jahr 2017 getan hat. Das hat das World Economic Forum im Jahr 2017 behauptet. Bitte was?
“Can the world afford Bitcoin?”
– World Economic Forum (2017)
Das World Economic Forum oder Weltwirtschaftsforum (WEF) ist eine internationale Nichtregierungs- und Lobbyorganisation mit Sitz in der Schweiz. Das WEF ist vor allem für sein jährliches internationales Treffen bekannt, welches in Davos (Schweiz) stattfindet. Dieses Treffen bringt rund 3.000 zahlende Mitglieder und ausgewählte Teilnehmer – darunter Investoren, Wirtschaftsführer, Politiker, Ökonomen, Prominente und Journalisten – für bis zu fünf Tage zusammen, um in mehreren hunderten Sitzungen globale Themen zu diskutieren. Immer wieder umfassen die Diskussionsthemen auch Kryptowährungen, Blockchain, Kryptoassets oder Smart Contracts.
Das Weltwirtschaftsforum in Davos spielt eine gewichtige Rolle im internationalen Geschehen. Wichtige Zukunftsthemen werden hier besprochen Ausschläge werden gegeben, die weltweit Gesellschaften beeinflussen. Beim Thema Bitcoin-Mining scheint man aber irgendwie seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben:
“Bitcoin mining’s energy use is reportedly growing at a rate of 25% per month. At that rate of growth, it will consume as much electricity as the US in 2019. And by 2020, bitcoin mining could be consuming the same amount of electricity every year as is currently used by the entire world.”
– World Economic Forum
Soweit so gut. Hier zeigen sich gravierende Mängel an Wissen und Verständnis über die Funktionsweise des Bitcoin-Minings und scheinbar auch über grundlegende Mathematik. Alleine die Vorstellung, dass es mathematisch möglich sein könnte, dass Bitcoin so viel Energie verbrauchen könnte, wie die gesamte Welt es im Jahr 2017 getan hat, ist eine absurde Idee. Das World Economic Forum (WEF) zitiert hierbei lediglich eine Headline aus dem amerikanischen Wochenmagazin Newsweek, in welchem der Autor einen einmaligen monatlichen Anstieg von 25% des Energieverbrauchs linear fortführt. Die Aussage, die das renommierte World Economic Forum hier zitiert und als Headline auf ihrer eigenen Website bringt, basiert also auf einer absurden Milchmädchenrechnung. Warum so eine Aussage einen eigenen Artikel auf der Website des WEF rechtfertigt, ist bisher nicht bekannt geworden. Es sorgt indes nur für Kopfschütteln.
Die gute Nachricht: Unser Universal-Einsteigerkurs in die Kryptoökonomie – mit fundiertem Wissen die Welt der Blockchain-Technologie betreten – wird auch in 2022 regelmäßig angeboten. Hierin lernt man beispielsweise wie das Bitcoin-Mining technisch funktioniert und wie es sich aus mathematischer Perspektive verhält.
Bitcoin Mining muss differenzierter betrachtet werden
In der öffentlichen Debatte oder im Falle mangelnder Expertise taucht sehr oft das Argument auf, dass Bitcoin-Mining direkt proportional mit dem erzeugten Strom zusammenhinge. Damit ist gemeint, dass mehr Bitcoin-Mining auch mehr Stromerzeugung bedeutet. Die Denkweise, dass Bitcoin-Mining mehr Stromverbrauch und mehr Co2-Ausstoss bedeutet, ist nicht korrekt. In dieser Debatte muss beachtet werden, dass weltweit stets weit mehr Strom generiert wird, als er verbraucht wird. Innerhalb dieser Differenz konsumiert das Bitcoin-Netzwerk Strom, um seine Funktionen auszuführen. Würde man das gesamte Bitcoin-Mining weltweit von heute auf morgen deaktivieren, so würde es an den Zahlen des Stromverbrauchs oder des CO2-Ausstoßes nichts verändern. Nur sehr selten ist es der Fall, dass die Nachfrage durch Bitcoin-Mining direkt dazu führt, dass ein bestimmtes Kraftwerk mehr Energie produziert, als es ansonsten ohnehin produzieren würde.
Wie vom populären Twitter Account Documenting Bitcoin argumentiert, würde alleine die nicht genutzte Hydropower-Energie der kanadischen Provinz Quebec ausreichen um das gesamte Bitcoin-Mining der Welt abzudecken.
Quebec, Canada alone has enough 𝘂𝗻𝘂𝘀𝗲𝗱 hydroelectric power to operate the entire #Bitcoin Network. Yeah, the entire thing.
Canada as a whole has 400 TWh of hydroelectric capacity. #Bitcoin runs on only 129 TWh. pic.twitter.com/5ZfrMhsNhn
— Documenting Bitcoin 📄 (@DocumentingBTC) August 14, 2021
Daneben gibt es eine Reihe an Argumenten, die helfen das Bitcoin-Mining differenzierter zu betrachten. Das wichtigste Argument ist, dass Proof-of-Work (PoW) eine extrem hohe Sicherheit garantiert und der Stromverbrauch gleichzeitig ein Schutzfaktor gegen verschiedene Formen von Angriffen auf das Netzwerk ist. Da es sehr viel Strom benötigt, sich am Netzwerk zu beteiligen, sind Angriffe auf dieses auch entsprechend teuer.
Kraftwerke und Stromnetze können profitieren, da Bitcoin-Mining überschüssige Energie verwenden kann, welche ansonsten nicht effizient eingesetzt oder verloren gehen würde. Als Beispiel dienen Solarkraftwerke, die sehr unterschiedliche Zeitpunkte und Intensitäten in ihrer Stromerzeugung haben. Viele Kraftwerke sind zudem weit von Siedlungsgebieten entfernt und erzeugen Überschussenergie, die durch Bitcoin-Mining einem Zweck zugeführt werden kann. Dies trifft besonders häufig auf grüne Energiequellen wie Wasserkraft oder Geothermie zu. In diesen Bereichen kann Bitcoin-Mining wirtschaftliche Effizienzsteigerungen erzeugen.
Genauere wissenschaftliche Analysen zur Zusammenwirkung von Strom, Energie, Co2 und Bitcoin-Mining sind in Arbeit. Wir werden diese selbstverständlich in kommenden Insights behandeln.
Bitcoin-Mining wird grüner
Twitter-Gründer Jack Dorsey sieht in Bitcoin einen fördernden Faktor für erneuerbare Energien. Diese Argumentation begründet sich damit, dass erneuerbare Energiequellen in vielen Regionen der Welt inzwischen unter den günstigsten sind und dadurch Bitcoin-Miner diese intensiv nutzen um ihre Kosten zu optimieren. Dadurch werden Anreize geschaffen, um vermehrt in erneuerbare Energien zu investieren. Eine detailliertere Analyse davon haben wir im Insight Jack Dorsey: Bitcoin’s reichhaltige, saubere Energiezukunft veröffentlicht.
Neben Jack Dorsey bemüht sich auch das Bitcoin Mining Council um eine differenziertere Wahrnehmung des Bitcoin-Minings. Das Bitcoin Mining Council ist ein freiwilliges und offenes Forum von Bitcoin-Minern, die sich für das Netzwerk und seine Grundprinzipien einsetzen. Laut Angaben auf ihrer Website fördern sie Transparenz, tauschen Best Practices aus und klären die Öffentlichkeit über die Vorteile von Bitcoin und Bitcoin-Mining auf. Basierend auf ihren Daten aus einer freiwilligen Umfrage im Mining-Sektor zum Stichtag 31.12.2021, welche von über 46% des globalen Bitcoin-Netzwerks eingesammelt wurden, ergibt sich folgendes Bild:
“Based on this data it is estimated that the global mining industry’s sustainable electricity mix had grown to approximately 58.5%, during Q4 2021, up 1% from Q3 2021, making it one of the most sustainable industries globally.”
– Bitcoin Mining Council
Eine Rate von 58.5% an erneuerbarer Energie würde bedeuten, dass Bitcoin-Mining eine der grünsten Industrien weltweit wäre. Natürlich müssen diese Zahlen mit Vorsicht genossen werden, da sie lediglich auf Umfragen basieren. Es zeigt sich jedenfalls auch die signifikante Verbesserung hinsichtlich sauberer Energie im Bitcoin-Mining seit es in China unter Verbot gestellt wurde. Das Mining-Netzwerk hat sich dadurch global relokalisiert und tendenziell saubere Energiequellen hierfür gefunden. Hierzu mehr im Insight Die USA überholen China als führende Mining-Nation.
Q4 #Bitcoin Mining Council Survey Confirms Improvements in Sustainable Power Mix and Technological Efficiency. Estimated sustainable energy mix was 58.5%. Join us at 5pm ET today for a full briefing.https://t.co/t1gTZV9GtT
— Michael Saylor⚡️ (@saylor) January 18, 2022
Faire Diskussion, statt fehlinformierter Alarmismus
Am Donnerstag, 20.01.2022, hielt das House Committee on Energy & Commerce ein Hearing mit mehreren hochrangigen Experten aus der Praxis zum Thema Bitcoin-Mining und dem Energieverbrauch von Blockchain-Technologie insgesamt. Die Anhörung trug den vielsagenden Titel “Cleaning Up Cryptocurrency: The Energy Impacts of Blockchains“.
Die geführte Diskussion hob unterschiedliche Standpunkte hervor und gab Einsichten von verschiedenen Mining-Experten.
- Bitcoin ist nicht gleich Blockchain. Unterschiedliche Blockchain-Algorithmen variieren enorm in ihrem Energieverbrauch
- Proof-of-Stake reicht für die meisten Anwendungsfälle aus (99.9% weniger Energieverbrauch als Proof-of-Stake)
- Bitcoin-Mining bietet auch Vorteile für Stromnetzwerke und Kraftwerke
- Bitcoin-Mining kann erneuerbare Energie attraktiver machen
Insgesamt handelte es sich bei der Anhörung um eine sehr ausgeglichene Diskussion, die viele Themenbereiche anschnitt (Erneuerbare Energie, Energieversorgung, Technologische Entwicklung, Arbeitsplätze). Als einer der wichtigsten Inhalte wurde elaboriert, warum der hohe Stromverbrauch für Bitcoin notwendig ist und welche Auswirkungen dieser tatsächlich hat. Daneben kamen die Entlarvung von Mythen, Aufklärung über technische Details, Beruhigung in Anbetracht überspitzter Aussagen, Vorteile für die Verbraucher, Arbeitsplätze und das Thema Krypto als immer mehr zum Mainstream werdend, zur Sprache. Anhörungen wie diese sind in vielerlei Hinsicht förderlich. Übertriebener Alarmismus basierend auf falschen Berechnungen und Narrativen nicht.
Lag das World Ecomonic Forum mit ihrer Prognose letztendlich richtig?
Nein.
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Quellen:
World Economic Forum: https://www.weforum.org/events/the-davos-agenda-2022
WEF zu Bitcoin Mining Energieverbrauch im Jahr 2020: https://www.weforum.org/agenda/2017/12/bitcoin-consume-more-power-than-world-2020
The Bitcoin Mining Council: https://bitcoinminingcouncil.com/
The House Committee on Energy and Commerce: https://energycommerce.house.gov/committee-activity/hearings/hearing-on-cleaning-up-cryptocurrency-the-energy-impacts-of-blockchains
Energy Information Administration (EIA): https://www.enerdynamics.com/Energy-Currents_Blog/How-Much-Primary-Energy-Is-Wasted-Before-Consumers-See-Value-from-Electricity.aspx
Jack Dorsey auf Twitter: https://twitter.com/jack/status/1384903902907314176?s=20